Snow Crash

Gestern ist mir per Zufall wieder mal Snow Crash in die Finger gekommen. Die erste Szene hat sich mir vor 30 Jahren eingebrannt und die Vorwegnahme des Metaverse lässt mir heute noch einen kleinen Schauer über den Rücken schleichen.

von

Der Auslieferator (a.k.a. Pizzakurier) Hiro Protagonist jagt mit seinem hochgerüsteten Elektro-Kampflieferwagen im Auftrag der Mafia durch eine distopische US-Vorstadt. Innert 30 Minuten muss die Pizza geliefert sein, sonst bricht die Hölle los.

sgi & stable diffusion

Was als einfache SF-Story mit viel Zynismus beginnt, wird nach 30 Seiten visionär:

«Auf diese Weise kann ein gebündelter Lichtstrahl jeder beliebigen Farbe in jede beliebige Richtung aus dem Inneren des Computers durch die Fischaugenlinse geschossen werden. Unter Verwendung elektronischer Spiegel im Inneren des Computers wird dieser Strahl vielfach auf Hiros Brillengläsern hin und her gebrochen, etwa so, wie der Elektronenstrahl in einem Fernseher die innere Oberfläche der Bildröhre bemalt. Das resultierende Bild hängt vor Hiros Vision der Wirklichkeit im Raum.

Indem vor jedem Auge ein geringfügig anderes Bild gemalt wird, entsteht der Eindruck von Dreidimensionalität. Durch eine Bildaufbaurate von zweiundsiebzig pro Sekunde kann der Eindruck von Bewegung vermittelt werden. Indem das bewegliche dreidimensionale Bild mit einer Auflösung von 2K Pixel auf einer Seite dargestellt wird, erscheint es so scharf, wie das Auge es wahrnehmen kann, und indem digitale Stereoklänge durch die kleinen Kopfhörer gejagt werden, erhalten die beweglichen 3D-Bilder einen perfekten, realistischen Soundtrack.

Deshalb ist Hiro eigentlich gar nicht hier. Er befindet sich in einem computergenerierten Universum, das der Computer auf seine Brille zeichnet und in seine Kopfhörer pumpt. In der Lingua wird dieser imaginäre Ort das Metaversum genannt. Hiro verbringt eine Menge Zeit im Metaversum. Es ist Klassen besser als das beschissene U-Stor-It.»

Stephenson, Neal. Snow Crash. Goldmann Verlag, München 1995. S. 33. Die amerikanische Originalausgabe erschien 1992 bei Bantam Books, New York.
Neal Stephenson ist ein US-amerikanischer Schriftsteller, der vor allem durch seine Science-Fiction-Romane bekannt geworden ist. Er wurde 1959 geboren und hat zahlreiche Romane und Essays veröffentlicht, die sich mit Themen wie Technologie, Kultur, Geschichte und Philosophie befassen. Einige seiner bekanntesten Werke sind "Snow Crash", "Cryptonomicon", "Anathem" und "Seveneves". Stephenson ist bekannt für seine detaillierten und umfassenden Recherchen. Er gilt als einer der bedeutendsten Science-Fiction-Autoren unserer Zeit.

Heute produziert mir eine KI auf meinen eigenen Rechner diese Bilder zu diesem Text innert 2 Minuten.

Hier kommt das Metaverse

Nein, das hat nicht der Zuckerberg erfunden, der war damals nämlich gerade mal süsse 12 Jahre alt. Ein grosser Teil von Snow Crash spielt genau in diesem Metaverse und es ist so ungefähr 10000 mal cooler als das von Meta.

Hiro nähert sich der Straße. Sie ist der Broadway, die Champs Élysées des Metaversums. Diesen strahlend hell erleuchteten Boulevard kann man, verkleinert und spiegelverkehrt, in den Gläsern der Brille erkennen. Die Straße existiert eigentlich gar nicht. Dennoch gehen in diesem Augenblick Millionen Menschen darauf spazieren.

Die Abmessungen der Straße sind durch ein Programm festgelegt und werden von den Computergraphik-Ninjameistern der Globalen Multimedia-Programmiergruppe der Firma »Compu-ting Machinery« herausgehämmert. Die Straße scheint ein Boulevard zu sein, der ganz um den Äquator einer schwarzen Kugel mit einem Radius von etwas mehr als zehntausend Kilo metern herum verläuft. Das ergibt einen Umfang von 6553, Kilometern, was wesentlich größer als die Erde ist. […]

Wie an jedem Ort in der Realität, wird auch an dieser Straße gebaut. Bauunternehmer können ihre eigenen kleinen Nebenstraßen bauen, die von der Hauptstraße abzweigen. Sie können Häuser, Parks, Schilder und auch Sachen erschaffen, die in der Wirklichkeit nicht existieren, zum Beispiel gigantische, oben schwebende Light Shows, spezielle Viertel, wo die Gesetze des dreidimensionalen Raum/Zeit-Gefüges ignoriert werden, und Freikampfzonen, wo die Menschen einander jagen und töten können.

Stephenson, Neal. Snow Crash. Goldmann Verlag, München 1995. S. 33. Die amerikanische Originalausgabe erschien 1992 bei Bantam Books, New York.

Ich war damals extrem beeindruckt von den Parties im VR-Raum und denke noch heute jedes Mal an YT, wenn ich die Oculus Quest aufsetze. Ich meine, 1992! da war das Internet noch ein wenig zahmer. Das erste ISDN-Modem (Sagem 64) und E-Mail-Boards kamen so ziemlich zeitgleich mit Snow Crash in die Schweiz. Aber von VR haben wir damals noch nicht geträumt.

Was liest man eigentlich heute, wenn man die Zukunft vorhersagen will? Empfehlungen sind willkommen.

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