Im Normalfall ist es doch so, dass die SVP ruft und aus vollen Rängen hallt es zurück. Wenn ich mir die Kommentare auf Sonntagonline ansehe (zugegeben nicht gerade das Hausblatt der SVP aber trotzdem) bin ich erstaunt und auch etwas besorgt um unser erfolgreiches System. Für einmal ist das Verhältnis der Kommentare umgekehrt als sonst. (Ich hab’s nicht ganz ausgezählt, aber es dürften rund 70%-80% kontra SVP-Vorgehen sein). Offenbar hat sich da eine, sonst recht schweigsame, Zielgruppe aufgerafft und haut jetzt auch in die Tasten.
Als professioneller Manipulator lässt das bei mir die Alarmglocken läuten. Mit den Zielgruppen ist es wie mit dem Schnee. Wenn sie mal ins rutschen kommen, geht’s meist abwärts. Denn die Schweizer sind leicht aktivierbar aber schwer manipulierbar. Was die SVP-Spitze macht ist, aus meiner Sicht, riskant und kaum kontrollierbar. Sich aus einer Minderheits-Stellung heraus (30% sind keine Mehrheit) in eine so ausweglose, öffentlich beachtete Situation zu manövrieren, ist unklug. Was, wenn der (Werbe)druck nicht reicht? Die Marke würde schlagartig an Image einbüssen und vom Massen- zum Revoluzzer-Produkt werden – und zwar nicht in der kaufkräftigsten Klasse. Für das Management ist das im echten Leben meist der sicherste Weg zum RAV oder einem Karriereberater.
Wenn alle Drohungen und Ultimaten nichts nützen und einfach alles bleibt wie es ist, und das ist in der Schweiz meist der Fall, dann kann die SVP-Spitze eigentlich nur noch gemeinsam den Hut nehmen. Erfolgloser kann man als Marke nicht sein – ausser man heisst Italien und scheidet schon in der WM-Vorrunde aus. Wenn dann der drohende Schaden in letzter Minute noch von der Marke abgewendet werden soll, dann sicher nur durch ein paar «CEO-Opferungen». Aber auch ganz praktisch bliebe dann kaum ein Ausweg. Schliesslich kann eine Marke (Partei) nicht jahrelang nach dem «täupeli» Prinzip geführt werden. Vernünftige Sachpolitik würde damit zur Farce, weil schon per Definition eigentlich nicht mehr möglich.
Wahrscheinlich ist es jetzt schon zu spät, aber wenn die SVP-Strategen mich morgen fragen würde, was zu tun sei (was sie nicht werden, weshalb ich das hier behaupten kann) würde ich ihnen dringend empfehlen, den Ton zu wechseln und das Thema Widmer-Schlumpf leise und dezent fallen zu lassen. Die Marketing-Abteilung hat in diesem Fall die MaFo nicht sauber gemacht und die Absatzzahlen lassen sich nun mal nicht von heute auf morgen verdoppeln – vor allem nicht in einem Markt, den man schon jahrelang, konsequent, gekonnt und fleissig bearbeitet hat.
Allen andern Marken im Schweizer Politik-Supermarkt würde ich raten, dem angeschlagenen Brand den Rückzug ins eigene Rayon offen zu lassen, sonst kämpfen ihre Marketeers unweigerlich mit dem Mut der Verzweiflung.
Zum Glück bin ich nicht Politikberater!
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