Joseph Cornell: Der Träumer aus Queens

Man stel­le sich einen Mann vor, der sein gan­zes Leben in einem klei­nen Haus in Queens ver­bringt und den­noch Wel­ten erschafft, die uns ins Stau­nen ver­set­zen. Joseph Cor­nell, ein scheu­er Eigen­bröt­ler, ver­wan­del­te All­tags­ge­gen­stän­de in Kunst­wer­ke, die an sur­rea­le Tag­träu­me erin­nern. Sei­ne berühm­ten Schau­kä­sten sind Minia­tur­uni­ver­sen vol­ler Nost­al­gie, Poe­sie und Fern­weh.

Sei­ne erste Inspi­ra­ti­on? Sein Bru­der, der mit einer Behin­de­rung leb­te. Um ihm die Welt über das Haus hin­aus näher­zu­brin­gen, begann Cor­nell, klei­ne Kästen zu gestal­ten. Eine Puder­do­se mit Spie­geln, Nadeln und Fin­ger­hü­ten wur­de zum visu­el­len Laby­rinth, in dem sich Fan­ta­sie und Rea­li­tät ver­misch­ten. Mit der Zeit per­fek­tio­nier­te er die­ses Kon­zept und schuf klei­ne Büh­nen, auf denen sich Geschich­ten abspiel­ten, die jeder Betrach­ter selbst wei­ter­den­ken konn­te.

Cor­nell selbst war ein Träu­mer. Er lieb­te Frank­reich, ohne jemals dort gewe­sen zu sein. Sei­ne Wer­ke atmen die Ele­ganz und Melan­cho­lie einer ver­lo­re­nen Zeit. Zugleich war er tief ver­wur­zelt in sei­ner Umge­bung: Sein Gar­ten und sei­ne Vögel waren ihm eben­so hei­lig wie sei­ne Kunst. Es heisst, er sei erst mit 60 Jah­ren wirk­lich erwach­sen gewor­den – bis dahin hielt er sich die Welt der Kind­heit offen. Viel­leicht war es genau die­se Wei­ge­rung, sich den Zwän­gen der „Erwach­se­nen­welt“ zu unter­wer­fen, die sei­ne Wer­ke so zeit­los und berüh­rend macht.

Und genau das ist es, was mich an ihm fas­zi­niert. Man kann sei­ne Kunst nicht nur anschau­en – man muss ihr begeg­nen. Denn Cor­nells Kästen leben von der Mate­ria­li­tät, vom Licht­spiel, von der Drei­di­men­sio­na­li­tät, die am Bild­schirm nie die­sel­be Wir­kung ent­fal­tet. Sie sind klei­ne Por­ta­le in eine Welt, in der Träu­me greif­bar wer­den.

Joseph Cor­nell mag nie aus New York her­aus­ge­kom­men sein, aber sei­ne Kunst reist bis heu­te um die Welt. Und sie bleibt: ein Beweis dafür, dass die gröss­ten Aben­teu­er oft im eige­nen Kopf begin­nen.

Mei­ne Ver­su­che

,

Schreiben Sie einen Kommentar

Nur Personen, die zu meinem Freundesnetzwerk gehören, können hier kommentieren.

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.